Wenn der Vater mit der Tochter in die Ferne schweift… Femundlopet 2016

European Championship Femundløpet 600 km 5.-9.2.16

Ein netter Bericht erreicht uns aus dem hohen Norden, wo eine Anzahl deutscher VDSV-Langdistanz-Musher den Femundtrail unter die Kufen genommen haben.

Neben Ronja und Bernhard Schuchert (s.u.) war noch Volker Ebertshäuser F600 Teilnehmer (Titelbild Mitte, der leider krankheitsbedingt nach 300 km abbrechen musste). Es finishte Michael Hess (DSLT) das F400 8 Hundeklasse als 2. Plazierter IFSS EM RNB und auch Hendrik Stahnau (DSLT) F600, IFSS EM 2. Platz RNB mit seinem Grönlandhunden/Malamuten Team.
Bester nicht Norweger in der F400 Klasse wurde Wolfram Schumacher aus Florstadt, er belegte den 12.Platz von insgesamt 81 Startern.

12711124_1113732968650391_3581586801868614419_oBernhard und Ronja Schuchert

Herzlichen Glückwunsch an alle Teilnehmer und auch Dank an “Musherzeitung” Helmut Dietz für die schönen Fotos!

Dieses Jahr wollte ich das erste Mal am 600 km langen Femundløpet in Røros, Norwegen teilnehmen. Das Rennen hatte dieses Jahr auch den Status als European Championship. Zusammen mit meinem Vater bin ich vor ein paar Jahren bereits das 400 km lange Femund gefahren, was mir als Qualifikation anerkannt wurde. Aufgrund der schlechten Schneelage Anfang Januar war es lange nicht klar, ob das Rennen wie geplant stattfindet. Das Femundløpet 600 km ist nach dem Finnmarksløpet 1000 km das zweitlängste Distanzrennen in Europa. Im Unterschied zum Finnmarksløpet ist es aber vom Höhenprofil viel anspruchsvoller und die Abfahrten mit 12 hochtrainierten Hunden verlangen alles von dem Musher, um die Hunde sicher nach unten zu bringen. Auch die Anstiege erfordern eine gewisse Fitness in den Waden.

Da Bernhard und ich mit zwei 12-Hundeteams an den Start gehen wollten und wir nur 16 Hunde im Training hatten, mussten wir uns zur Verstärkung noch acht Hunde von Arnt Ola Skjerve leihen.

Nachdem wir in Röros angekommen waren und wie immer bei unseren norwegischen Freunden wohnen konnten, begannen die letzten Vorbereitungen. Den Pre Race Vetcheck konnte ich selbst durchführen, so dass nur noch die Registrierung und das Mushermeeting vor dem Start zu absolvieren waren.

Bernhard und ich starteten 13 Minuten versetzt mit der Startnummer 8 und 21 am Freitag in Røros. Der Start von zwei 12-Hundeteams von nur einem Auto musste gut geplant werden, da nur mit 1 Minute Zeitintervall gestartet wird. Es hat aber hervorragend geklappt und auch die berüchtigte Kurve unmittelbar nach dem Start hat mich nicht aus der Bahn geworfen.

Die erste 75km lange Etappe nach Tufsingdalen vergeht durch diverse Überholmanöver und den vielen Leuten, die einen entlang der Strecke immer wieder anfeuern, unheimlich schnell.
In Tufsingdalen erfolgt der Zeitausgleich vom Start und die ersten 4 Stunden Pflichtpause kommen noch hinzu. Ich bleibe 13 Minuten länger als vorgeschrieben im Checkpoint, da mein Vater und ich das Rennen zusammen fahren wollen.

Bildschirmfoto 2016-02-14 um 17.48.00

Es kostet mich mehr als einen Checkpoint um eine gewisse Routine in der Versorgung der Hunde zu erlangen: Booties ausziehen, das Stroh als Liegeplatz für die Hunde verteilen, Wasser und den Checkpointsack außerhalb des Bereichs für die Musher zu holen, Futter zubereiten und die Hunde füttern. Danach mussten immer noch Hunde massiert werden. Wir massieren sie mit Algival und wickeln die Gelenke in sogenannte „wristwarmers“ aus Neopren. Nachdem die Hunde versorgt sind, gibt es etwas zu Essen für uns und dann maximal eine Stunde Schlaf. Vor Verlassen des Checkpoints müssen jedem Hund Booties angezogen werden. Dann werden noch die Blankets in die Schlitten gepackt, bevor es weitergeht.
Die nächste Etappe nach Drevsjø bewältigen wir in der Nacht und erreichen um halb 4 Uhr morgens den Checkpoint. Nach knapp fünf Stunden Pause fahren wir weiter nach Søvollen. Tagsüber haben wir auf dieser Strecke Plusgrade und ein wenig Regen. Der nasse Schnee bremst den Schlitten und obwohl ich viel mitlaufe kostet es die Hunde viel Kraft nach Søvollen zu kommen. Umso besser, dass wir hier unsere geplante achtstündige Pflichtpause machen, um mit ausgeruhten Hunden die 107 km lange Strecke nach Orkelbogen zu bewältigen. Vor dieser langen Etappe nehme ich Orvvus aufgrund eines geschwollenen Karpalgelenks aus meinem Team. Nach der Meinung des dortigen Tierarztes könnte ich ihn im Team lassen, da die Schwellung nach seiner Erfahrung nach einigen Kilometer laufen zurückgeht. Aber ich bin unsicher und möchte ihm die nächsten 107 km nicht zumuten.
Orkelbogen ist der neue Checkpoint des Femundløpets und der sogenannte „wilderness checkpoint“. Der Weg dorthin verläuft über lange, breite Trails und Straßen und ich muss das erste Mal daran denken, wie lang 600 km sind. In Orkelbogen müssen die Musher in Zelten oder einem Lavvu übernachten. Hier pausieren wir ebenfalls etwa fünf Stunden. Schlafen kann ich allerdings nicht. Ständig betreten andere Musher das Zelt oder verlassen es. Dieser Checkpoint wird aufgrund des auch in Norwegen herrschenden Schneemangels zweimal auf der gleichen Strecke angefahren, sodass zwischen den Checkpoints Orkelbogen – Grimsbu – Orkelbogen2 oft head on passing mit den führenden Teams erfolgt. Von Grimsbu zurück nach Orkelbogen2 kommen wir in der Nacht in einen Schneesturm. Wir müssen dicht zusammenbleiben um uns nicht aus den Augen zu verlieren. Nur bei 50m Entfernung ist das Licht der Stirnlampe des anderen nicht mehr zu sehen. In den Bergen kommen wir vom Trail ab. Wir halten an und während ich bei den Teams bleibe sucht Bernhard zu Fuß die nächste Markierung des Trails. Lille Hoa, unser mit Abstand bester Leithund findet die Spur wieder und führt die Teams souverän nach Orkelbogen2. In Orkelbogen2 pausieren wir für vier Stunden. Hier nehme ich Chewie aus dem Team. Er ist bisher jedes Femund- und Finnmarksløpet durchgelaufen, aber mittlerweile mein ältestes Teammitglied. Frida und Joatka, die zwei Jüngsten, sind die Stimmungskanonen im Gespann. Sobald ich anfange die Zugleinen einzuhängen stehen sie bellend in den Startlöchern und drängen aufs Weiterfahren.
Auf dem Weg nach Tolga ist es wieder deutlich zu warm. Es regnet und auf den Flüssen reicht der Overflow bis über die Knöchel. Eine Bahnunterführung hat so viel Wasser, das wir stattdessen über die darüber verlaufenden Bahngleise fahren. Die Strecke nach Tolga ist wie immer mit sehr langen und steilen Anstiegen versehen, die uns aber auch zurück in eine Winterlandschaft bringen.
Endlich in Tolga angekommen halten wir unsere zweite achtstündige Pflichtpause. Hier, im letzten Checkpoint nehme ich Furu sowie Carius aus dem Team, um kein Risiko für die letzte Etappe einzugehen. Mit zehn und acht Hunden machen mein Vater und ich uns, wieder in der Nacht, auf den Weg nach Røros. Mittlerweile bin ich so müde dass ich immer wieder in einen Sekundenschlaf falle. Um gegen den Schlaf anzukämpfen fange ich an, meinen Hunden etwas vorzusingen. Morgens um 4:45 Uhr erreichen wir das Ziel, müde und glücklich erfolgreich gefinished zu haben.
Diese etwas mehr als drei Tage, die ich zu jeder Tages- und Nachtzeit mit den Hunden in der Natur verbracht habe, waren ein unglaubliches Erlebnis, das ich auf jeden Fall wiederholen möchte. Geschlafen haben wir in der Zeit nur etwa 10 Stunden.
Selbst den Sturm habe ich ein Stück weit genossen, denn auch solches Wetter gehört dazu. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass man sich auf seine Hunde verlassen kann. Genauso ist es auch wichtig gegenüber den Hunden immer Ruhe und Sicherheit auszustrahlen, wenn es einmal etwas rauher wird. Wie sagen es die Norweger: “Life begins at the end of your comfort zone”.

Verglichen mit dem 400 km langen Femundløpet, ist das Femund 600 nochmal eine deutlich stärkere Herausforderung. Ich bin froh, dass Femundløpet beim ersten Mal mit meinem Vater gefahren zu sein, der viel Erfahrung hinsichtlich Langstreckenrennen hat. Unser Ziel war es, das Rennen sicher zu absolvieren, damit ich die erste Qualifikation für das Yukon Quest habe. Als zweite Qualifikation fahre ich im März das 300 km lange Tobacco Trail. Wenn die Suche nach Sponsoren erfolgreich ist, werde ich im Februar 2017 zusammen mit Bernhard am Yukon Quest teilnehmen, dem längsten und schwierigsten Rennen der Schlittenhundewelt.

Ronja Schuchert

 

 

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By |2023-07-09T14:48:43+02:00Februar 16th, 2016|Allgemein, Mitglieder informieren|0 Comments